Treffenstruktur für große Gruppen

Große Gruppen müssen strukturiert und moderiert werden. Wie? Das zeigt die Gruppe Life’n’rhythm – ein Schulprojekt

Die Akteursgruppe Life’n’rhythm – das Schulprojekt (nachfolgend LnR) besteht aus ungefähr 60 zum Teil jedes Jahr wechselnden Mitarbeiter/-innen (MA), die einmal im Jahr eine Art Projektwoche in einer Haupt- und Realschule durchführt. Die Projektwoche ist eine Situation der Außeralltäglichkeit: in dieser Woche konzentrieren sich die MA nur auf das Projekt. Im Vorfeld jeder Projektwoche werden bereits von einem kleinen Leitungsteam viele Entscheidungen getroffen. Im Folgenden soll der Entscheidungsmechanismus beschrieben werden, den die Gruppe nutzt, um während der Woche mit allen MAs Entscheidungen zu treffen.

Offener Mitarbeiteraustausch (OMA)

Während der Projektwoche trifft sich die Gruppe einmal täglich zu einem Mitarbeiteraustausch zusammen. Die Runde besteht im Idealfall aus allen Mitarbeiter/-innen des Projekts, sodass ungefähr 60 Menschen aufmerksam und konzentriert die anliegenden Themen besprechen müssen.

Beginn: Alle MAs werden gebeten, ihre zu besprechenden Tagesordnungspunkte (TOPs) im Vorfeld an einer Pinnwand zu sammeln. Hier findet bereits eine eigenständige Vorstrukturierung der Themen statt. Für die Gruppe hat sich die Aufteilung in Orga, Musik/Technik/Programm und Sonstiges als sinnvoll erwiesen.

Vorstrukturierung der zu diskutierenden Themen

Es liegt in der Natur des Projekts, dass alle Punkte auch diskutiert werden müssen und keine aufgeschoben werden können. (Für die Übertragung in andere Gruppen wäre eine eigenständige Priorisierung der TOPS durch verschieden farbige Karten denkbar.)

  • Witzige Titel der Themen: Innerhalb der Gruppe hat sich zum Sport entwickelt, dass man sich für TOPs lustige Titel einfallen lässt. Das hat den Vorteil, dass ein neues Thema oftmals mit einem Lacher eingeläutet wird.

Ablauf der Austauschrunde: Die Austauschrunde wird von einer/einem Moderator/-in geleitet. Sie/er geht zunächst die Ereignisse der vergangen 24 Stunden durch. Durch diese Rückschau können Erfolge wertgeschätzt werden, Probleme mit der Durchführung gewisser Aktionen diskutiert und schöne Momente innerhalb der Gruppe geteilt werden.

Dann erst werden die Aktionen, die in den nächsten 24 Stunden anstehen diskutiert und geplant. Diese Vorschau hilft alle Mitglieder auf denselben Wissensstand zu bringen und sie auf das kommende vorzubereiten.

Während der Projektwoche wechselt täglich die/der Moderator/-in.

Das Kartensystem: Während der ganzen Runde finden Meldungen mithilfe eines Kartensystems statt. Jede/r MA hat bekommt drei Karten ausgeteilt: eine rote, eine gelbe und eine grüne Karte. Man meldet sich mit einer der drei Karten.

  • Mit der roten Karten kündigt man an, dass man genau zu dem Thema etwas sagen möchte, was gerade diskutiert wird. Diese Wortmeldungen werden priorisiert.
  • Meldet man sich mit der gelben Karte, zeigt man an, dass man etwas zu einem anderen Thema sagen möchte. Diese Wortmeldungen werden erst nach den roten Karten gehört.
  • Mithilfe der grünen Karten zeigt man Zustimmung oder Begeisterung für eine Äußerung, die zuvor getätigt wurde.

Das Kartensystem ermöglicht, dass sich jede/r MA im Vorfeld Gedanken über seine/ihre eigene Wortmeldung macht und sich vielleicht folgende Fragen stellt: Passt meine Wortmeldung zum gerade diskutieren Thema? Dies ist eine sehr wichtige Frage, da viele Diskussion dadurch anstrengend werden, dass ein Thema in das andere über geht, ohne dass ein Abschluss für das zunächst diskutierte Thema gefunden wurde. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Teilnehmer/-innen einer Diskussion müde sind oder gewohnt sind, einfach drauf los zu reden. Das Kartensystem wirkt somit auch bestehenden Hierarchien entgegen, da – wenn es gut läuft – niemand den Fokus einer Diskussion durch einfaches Drauflosreden verschieben kann.

Auch die grüne Karte erfüllt einen wichtigen Zweck, da sie einerseits die Anzahl der Wortmeldungen reduziert, die einen ähnlichen Inhalt haben und anderseits die Möglichkeit gibt, das vorher gesagt ‚zu feiern‘. Wenn z.B. gesagt wird „Am Montag hatten wir einen schönen Infostand in der Innenstadt, zu dem viele Menschen kamen.“ und viele Menschen in der Runde wedeln mit ihren grüne Karten, dann verbindet es die Gruppe und zeigt den Organisator/-innen des Infostands, dass viele der Gruppenmitglieder ihre Aktion gut fanden. Es entsteht somit eine schnelle, aber wirkungskräftige Rückmeldung von der Gruppe für die einzelnen MAs.

Zudem ermöglicht die grüne Karte, eine Visualisierung des momentanen Stimmungsbildes ohne explizites Abfragen. Wird bspw. ein Vorschlag vorgetragen, bei dem unmittelbar viele Menschen mit grünen Karten wedeln, so sieht der/die Moderator/-in bzw. die Gruppe als Ganze, dass dies eine Idee ist, die viele Mitglieder für gut halten.

Selbstverständlich steht und fällt auch das Kartensystem mit der Bereitschaft der Gruppe, die Karten wirklich zu nutzen und mit den Fähigkeiten der/des Moderator/-in die Redebeiträge ggf. auch zurück zu weisen, weil sie nicht zur Farbe der Karte passen, lange Wortbeiträge vorsichtig abzubrechen oder darauf hinzuweisen, dass für Ich-wollte-auch-noch-einmal-sagen-Beiträge doch bitte die grüne Karte zu verwenden ist.

Alternativ zum Kartensystem können auch Handzeichen verwendet werden. Eine ausführliche Liste von hilfreichen Handzeichen ist auf der Bildungskoffer-Website  zu finden.

Das Verwenden von Handzeichen ist allerdings nicht für alle Gruppen ratsam. Viele Menschen sind es nicht gewohnt, auch ihren Körper bzw. ihre Hände bewusst während einer Diskussion einzusetzen und fühlen sich sehr schnell unwohl, wenn sie dazu aufgefordert werden. Es besteht auch die Gefahr, dass manche Gruppenmitglieder die Handzeichen ins Lächerliche ziehen und somit der Gebrauch von Handzeichen für die ganze Gruppe unmöglich wird.

Abschluss der Runde: Diskussions- und Entscheidungsrunden können – auch bei guter Moderation und produktiver Arbeit – sehr kräftezehrend sein. D.h. auch bei noch so guter Zusammenwirken bei gemeinschaftlicher Entscheidungsfindung

Eine Möglichkeit der Unzufriedenheit, die aus diesem Austausch entstehen kann, entgegen zu wirken ist, einen gemeinsamen Abschlusspunkt zu setzen.

Die LnR-Gruppe beendet bspw. ihre Austauschrunden mit einer gemeinschaftlichen Geste ähnlich eines Jubels. Dazu stehen alle Teilnehmer/-innen der Runde auf und treten etwas näher zusammen, sodass sie einen engen Kreis bilden. Dann bewegen alle ihre Arme und Hände so, als würden sie an einem imaginierten Seil ziehen. Dabei wird die Gruppe und jede/r einzelne/r immer schneller in ihren/seinen Bewegungen, angezeigt wird die Geschwindigkeitszunahme der Bewegungen durch das hoher werden im Ton, den alle summen. Am intensivsten Punkt reisen alle Teilnehmer/-innen der Runde in einer einzigen Bewegung ihre Arme in die Luft – ähnlich Sportfans, die eine La-Oala-Welle anstimmen.

So eine Aktion am Ende einer Diskussionsrunde setzt einen gemeinsam körperlich erlebbaren Schlusspunkt, der kraftintensives Reden in ein euphorischeres Ende kanalisieren kann. Allerdings braucht es die Bereitschaft in der Gruppe, sich auf so eine spielerische Handlung einzulassen. Bei anderen Gruppen ist vielleicht eine formalere Zusammenführung der diskutierten Punkte passender.

 

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