Hierarchien – Verantwortung verteilen

Eine Initiative hat sich gegründet und nach einiger Zeit voller Engagement und Einsatz werden die ersten Erfolge verzeichnet. Dies ist meist der Verdienst von einigen Wenigen innerhalb der Organisation, die in der Regel als Ideengeber und Initiatoren an der Spitze der Initiative stehen, je nach Organisationsform als Vorstand, Geschäftsführer oder in einer anderen leitenden Funktion. Diese sog. „Treiber“ finden sich über kurz oder lang in einer Position wieder, in welcher sie zwar viel Verantwortung tragen und wesentliche Entscheidungen treffen dürfen, die für die Organisation richtungsgebend sind. Doch so manch einer fragt sich vielleicht auch, was aus der ursprünglichen Idee, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, geworden ist, wo doch nun alles nur an einem oder wenigen Personen hängt. Und was passiert, wenn diese Person eines Tages (aufgrund von Überarbeitung oder aus anderen Gründen) aussteigt? Spätestens dann macht es Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, wie Verantwortung innerhalb einer Organisation auf möglichst viele Schultern verteilt werden kann.

Die passende Rechtsform

Der Wunsch nach einer basisdemokratischen Organisationsform sollte nach Möglichkeit schon bei der Gründung der Initiative berücksichtigt werden. Denn je nach juristischer Person (z.B. Verein, GmbH oder Genossenschaft) sind die internen Organisationsstrukturen unterschiedlich ausgestaltet (siehe hierzu auch der Beitrag zur Rechtsform). So ist eine GmbH im Vergleich zu einer Genossenschaft beispielsweise relativ hierarchisch strukturiert. In einer Genossenschaft gilt das „one man – one vote“-Prinzip, d.h. jedes Mitglied hat denselben Stimmanteil, wenn es um Entscheidungen im Unternehmen geht.

Soziokratie, Holakratie und evolutionäre Organisationen

Doch selbst in einer sehr basisdemokratisch orientierten Organisationsform wie einer Genossenschaft müssen interne Strukturen geschaffen werden, die zu einer ausgeglichenen Arbeits- und Verantwortungsverteilung führen. In der klassischen linear-hierarchischen Struktur mit einer Geschäftsführung an der Spitze wird die Macht von oben nach unten delegiert und verteilt. Daneben existiert aber auch noch eine weitere Struktur, die Brian Robertson als sog. informelle Struktur bezeichnet. Sie beinhaltet alle Beziehungen und Verstrickungen zwischen den Personen innerhalb einer Organisation.

Sowohl die klassisch formellen als auch informellen Strukturen führen innerhalb von Organisationen oft zu Problemen und Unmut. Daher sind Alternativen gefragt, die Christian Rüther folgendermaßen zusammenfasst:

„In den letzten gut fünfzig Jahren haben viele mutige Unternehmerinnen oder Geschäftsführer experimentiert und Alternativen gefunden. Gerard Endenburg hat in seinen Elektrotechnik-Betrieb seit Ende der 1960er Jahre anders organisiert, indem er die Beschäftigten in Kreisen die Grundsatz- und Rahmenentscheidungen auf Basis von Konsent treffen ließ. Daraus ist die Soziokratie (Link auf Entscheidungsprozesse) als eine neue soziale Technologie entstanden. Brian Robertson hat vor ca. zehn Jahren viele Prinzipien der Soziokratie übernommen und mit anderen Modellen ergänzt und so seine eigene Version entworfen. Daraus ist die Holakratie entstanden, dessen Flaggschiff derzeit Zappos ist. Frederik Laloux hat in den letzten fünf Jahren zwölf weitere Organisationen untersucht, die schon seit mehreren Jahren erfolgreich anders sind. Dabei hat er zumindest drei gemeinsame Prinzipien gefunden und diese als evolutionäre Organisationen bezeichnet: 1. Selbstorganisation, 2. Ganzheitlichkeit und 3. Zweck/Sinn.“

Rüther gibt in seinem Bericht einen guten Überblick über die verschiedenen Alternativen und stellt deren Vor- und Nachteile dar.

Arbeitsgruppen

Als eine der einfachsten Methoden, um Arbeit und Verantwortung effektiv zu verteilen, hat sich das System der Arbeitsgruppen etabliert. Aus jeder größeren Gruppe können sich kleinere Untergruppen bilden, um bestimmte Themen außerhalb des großen Plenums zu diskutieren und für die Entscheidung im Plenum vorzubereiten. Im soziokratischen System sind diese Arbeitsgruppen sogar mit Entscheidungsgewalt ausgestattet, da sie am Besten über die jeweilige Thematik Bescheid wissen. Über sog. Delegierte werden die Informationen aus allen Arbeitsgruppen in einem Koordinationskreis zusammengetragen und aufeinander abgestimmt.

 

Weitere Informationen

Zusammenstellung nach Christian Rüther (http://www.soziokratie.org/):

Geschichten des Gelingens

Die Menschen der Gruppe TransitionHaus Bayreuth haben nach verschiedenen Versuchen eine Organisationsweise gefunden, die den offenen Charakter der Initiative widerspiegelt. Alle zwei Wochen gibt es ein Treffen, in dem alle Themen besprochen werden, die das Haus, die übergeordnete Initiative TransitionHaus Bayreuth oder den gemeinnützigen Verein TransitionHaus Bayreuth e.V. betreffen.

Dieses Treffen ist offen für alle. Die Initiative versucht, dass bei diesen Montagsrunden von jeder Initiative, die im Haus aktiv ist, jemand anwesend ist. Darüber sind bei diesen Runden auch Menschen anwesend, die für keine Initiative, sondern direkt für das Haus aktiv sind. Neben der „Orgarunde“ existieren insgesamt acht Arbeitsgruppen (AGs), in welche die anstehenden Arbeiten aufgeteilt werden. Jede/r, die/der regelmäßig zu den Montagsrunden kommt, soll sich idealerweise einer dieser AGs zuordnen.

Die Umsetzung und Kontrolle der Aktivitäten von De Wandleing zielte darauf ab, Lösungen zu finden, die sowohl ein harmonisches soziales Umfeld als auch ein produktives Arbeiten ermöglichen. Dieses Modell beruht auf der Existenz von themenbasierten ‘Entscheidungskreisen’, z.B. Gründungskreis, Küchenkreis, Gartenkreis, Innenarchitekturkreis. Jeder Kreis hat mindestens drei organisatorisch eingebettete Freiwillige, die für bestimmte Aufgaben zuständig sind. Es erlaubt auch Leuten, die sich nicht wirklich in den Entscheidungsprozess einmischen wollen, ein Thema in einem der Kreise anzusprechen.