Das Protokoll als strukturgebendes Element

Der Horror aus der Schule? Wer macht das Protokoll? Stimmt, prickelnd ist diese Aufgabe nicht. Dennoch muss sie übernommen werden, um Diskussionsverläufe und Entscheidungen nachvollziehbar zu machen.

Geschichten des Gelingens

Für die Gruppe TransitionHaus Bayreuth hat sich das Protokoll als für ihre Treffen wichtiges strukturierendes Element herausgebildet. Das Protokoll wird online in einem Wiki erstellt, sodass es unmittelbar nach jedem Treffen verfügbar und von jeder/jedem veränderbar ist. (Es empfiehlt sich, Protokolle mit gleichen Namen-Präfix zu benennen, z.B. „20170915_TransitionHaus_Protokoll“, sodass sie direkt sortiert archiviert sind)

Bei jeder „Orga-Runde“ wird sich am Protokoll entlang gehangelt.

Muster-Protokoll der Gruppe TransitionHaus Bayreuth

Was gehört in ein Protokoll?

Kopfdaten: In den Kopfdaten wird der Ort, das Datum, der/die Moderator-/in, die/der Protokollant/-in sowie die Anwesenden notiert.

Falls es Personen gibt, die zum ersten Mal zu einem Treffen kommen, wird zu Anfang eine Vorstellungsrunde eingeschoben. Diese wird nicht protokolliert.

Befindlichkeitsrunde: Die Orgarunde startet mit einer Befindlichkeitsrunde. Jede/r darf an dieser Stelle kurz sagen, wie es ihr/ihm geht bzw. wie ihr/sein Tag verlaufen ist. Ist jemand müde oder hungrig oder hatte einen stressigen Arbeitstag? Dies zu wissen kann dabei helfen, die Antwort einer anderen Person besser einordnen zu können. Die Befindlichkeitsrunde wird ebenfalls nicht protokolliert.

Eine Möglichkeit die Befindlichkeitsrunde etwas aufzulockern, ist die surrealistischen Spielkarten des Gemeinschaftsspiels Dixit zu verwenden. Man legt alle Karten in die Mitte der Gruppe und jede/r darf sich eine Karte nehmen, die gerade zu ihrer/seiner momentanen Situation passt. Dixit-ähnliche Bilder finden sich auch auf dieser Pinterest-Seite. Für diese Aktion muss allerdings etwas Zeit eingeplant werden, weil jede/r etwas Zeit braucht, um sich alle Karten anschauen und eine auswählen.

Berichte: Danach berichten alle AGs von den vergangenen oder zukünftigen Aktionen, Problemen oder Erfolgen. An dieser Stelle soll lediglich berichtet werden. Falls in dieser Phase Diskussionspunkte entstehen sollten, werden die unter dem Punkt „Grundsätzliches“ erst priorisiert und dann diskutiert. Das soll verhindern, dass die Themen, welche zuerst genannt werden, die meiste Diskussionszeit bekommen. Es kann wichtige Themen, z.B. vom letzten Treffen geben, die vielleicht nicht zu Sprache kommen, wenn Punkte, die zu Anfang genannt werden, direkt diskutiert werden.

Aufgaben alt: Hier werden alle Aufgaben aufgelistet, auf die man sich beim letzten Treffen geeinigt hat. Dieses job controlling hat den Zweck, dass keine Aufgabe vergessen wird. Wichtig: Es geht nicht darum, zu kontrollieren, um zu sanktionieren. Vielmehr ist dieses Auflisten für eine Gruppe eine Möglichkeit, sich das Geleistete vor Augen zu führen oder aber Aufgaben neu zu verteilen, wenn jemand ihre/seine Aufgabe nicht erledigen konnte.

Aufgaben neu: Unter diesem Punkt werden alle Aufgaben eingetragen, die sich während des Treffens ergeben. Am besten werden die Aufgaben direkt mit einer verantwortlichen AG oder Person notiert. Manchmal können auch Aufgaben erst einmal nur fest gehalten werden, um sie bei einer späteren Sitzung zu vergeben.

Wenn man sich auf eine solche Auflistungen von Aufgaben einigt, dann muss darauf geachtet werden, dass man diese Listen stringent führt. Denn diese Liste kann sich schnell als Gedächtnis für eine Gruppe entwickeln. Alles, was nicht in dieser Aufgabenliste geführt wird, läuft dann Gefahr, vergessen zu werden. Insbesondere wenn die Teilnehmenden einer Sitzung von Treffen zu Treffen wechseln.

Grundsätzliches: Erst an dieser Stelle werden Diskussion geführt. Idealerweise werden alle Themen zunächst gesammelt und entweder von der moderierenden Person oder von der Gruppe priorisiert. Abhängig vom Zeitbudget für diesen Teil der Sitzung und die Anzahl der zu besprechenden Themen, kann es eine gute Idee sein, sich für eine Zeitspanne für ein bestimmtes Thema zu einigen. Wenn man dies tut, empfiehlt es sich auch zu vereinbaren, was passiert, wenn die Zeit für das zu besprechende Thema abgelaufen ist.

If it‘s not working …

Diese Art von Metavereinbarung („Diskussion nach Berichten und Aufgaben alt und neu“) funktioniert nicht in jeder Gruppe. Das hängt davon ab, aus welchen Charakteren die Gruppe besteht. Für wortkräftige Menschen, die gewohnt sind, direkt drauf los zu diskutieren ohne sich über die Struktur der Diskussion Gedanken zu machen, sind diese Prozessdiskussionen ungewohnt. Für sie kann es als bremsend und energieraubend wirken, solche Diskussionen zu führen. Dann sollte die moderierende Person kurz den Beweggrund für eine solche Metadiskussion erklären. Das kann die Akzeptanz für eine solche Unterbrechung erhöhen.

 

If it‘s working, …

Eine vorher getätigte Absprache über Dauer und erhofften Ergebnis kann verhindern, dass man als Gruppe auseinander geht und unzufrieden über das Besprochene ist. Im Systemischen Konsensieren wird dieser negativen Tendenz begegnet, in dem man die nächste Handlung zur Abstimmung stellt, bspw. durch die Fragen „Gibt es Widerstände dazu, jetzt das Thema noch weiter zu diskutieren?“ oder umgekehrt “Gibt es Widerstände dazu, dass Thema jetzt nicht weiter zu diskutieren und die Kommunikation per E-Mail weiter zu führen?“

Termine: Die Auflistung der zukünftigen Termine ermöglicht allen in der Gruppe bei jedem Treffen ein Update darüber zu bekommen, welche Termine demnächst anstehen. Wenn man weiß, was in der nächsten Zeit alles ansteht bzw. welche interessanten Veranstaltungen in der Zukunft durchgeführt werden, kann das auch helfen, das Gruppengefühl zu stärken.

Feedbackrunde: Die Feedbackrunde am Ende eines Treffens dient dazu, dass jede/r noch einmal die Möglichkeit hat, ihre/seine Meinung über die gerade durchlaufenden Diskussionsprozess zu äußern. Hier ist Platz sowohl für Kritik als auch für Lob und Danksagungen. Wichtig ist aber, dass niemand ihr/sein Feedback geben muss. Ob und inwiefern auf die geäußerte Kritik geantwortet darf, sollte im besten Fall vorher vereinbart sein.

If it‘s working, …

Wenn die Feedbackrunde in einer Gruppe als Strukturelement angenommen wird, dann kann sie der Moment sein, der verhindert, dass jemand frustriert nach Hause geht. Hier ist Platz, um vielleicht bspw. zu sagen „Ich bin unzufrieden damit, wie wir heute unser Zeitlimit nicht eingehalten haben. Ich habe im Vorfeld gesagt, dass ich heute pünktlich gehen muss und dass es mir aber wichtig ist, bis zum Ende der Sitzung dabei zu bleiben. Ich fühle mich in meiner Meinung nicht wahrgenommen.“ oder „Ich bin total glücklich damit, was wir heute alles geschafft haben. Das war super, wie Du heute die Runde moderiert hast – danke dafür!“

 

If it‘s not working …

Es kann passieren, dass die Feedbackrunde nur noch eine hohlen Aufgabe wird, die keine/r wirklich ernst nimmt. Das kann damit zusammenhängen, dass Menschen sich unwohl fühlen, ihre Bedürfnisse oder Probleme zu äußern und dann die Runde ins Lächerliche ziehen. Vielleicht weil sie es nicht gewohnt sind, vielleicht weil sie es nicht brauchen. Eine Möglichkeit dem zu begegnen ist, dass die erste Person in der Runde, ihr/sein Feedback besonders detailliert und ehrlich vorträgt. Die Art und Weise wie die erste Person ihr Feedback vorträgt, ist eine Orientierungspunkt für die anderen Menschen. Das gilt im Übrigen auch für die Befindlichkeitsrunde am Anfang.

Alternativ zu einer offenen Feedbackrunde kann man einfach ein Stimmungsbarometer mithilfe einer Daumenabfrage erstellen. Alle Menschen in der Gruppe strecken einen Daumen in die Mitte der Runde und zeigen mit von nach oben bis nach unten gerichteten Daumen, wie ihre Stimmung oder ihr Energielevel ist. Die Übung kann man natürlich auch zwischendurch durchführen. Dadurch erhält man zwar keine weiteren Informationen darüber, was genau für eine Person gut oder schlecht war, aber immerhin weiß die/der Moderator/-in dann, welches Gefühl in der Gruppe vorherrscht – und die Gruppe selber natürlich auch.

Atmosphärenmanager/-in: Die/der Atmosphärenmanager/-in hat während des Treffens die Aufgabe, die Gruppenatmosphäre im Blick zu behalten. Sie/er hat das Recht zu intervenieren, falls die Stimmung in der Gruppe zu kippen droht. Für die Intervention gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sie / er kann …

… sagen, dass sie/er die Stimmung gerade als angespannt empfindet und dass alle Leute doch einmal einen tiefen Atemzug nehmen sollen.

… vorschlagen, dass alle mal kurz vor die Tür gehen und in fünf Minuten wieder rein kommen sollen.

In einer eingespielten Gruppe, kann das natürlich auch jede/r tun und es braucht keine/n besondere/n Manager/in mehr. Insbesondere am Anfang einer Gruppenphase kann diese besondere Position allerdings ermöglichen, dass die/der Atmosphärenmanager/-in aus einer neutralen Position heraus, die momentane Diskussionskultur kritisiert. Diese Person erfüllt dann lediglich ihre Aufgabe und es werden ihr keine besonderen Beweggründe unterstellt.