Bezahlte Arbeit – von der ehrenamtlichen Tätigkeit zur Erwerbstätigkeit

Viele Initiativen werden von einem oder mehreren Vorstandsmitgliedern getragen, die sich in der Regel sowohl hochqualifiziert als auch ebenso hochengagiert für die Ziele der Organisation einsetzen. Gerade wenn sie dies erfolgreich tun und die Projektideen in der Öffentlichkeit Anklang finden, wird aus einer ehrenamtlichen Betätigung schnell eine Teil- bzw. Vollzeitbeschäftigung. Wie kann der Übergang vom Ehrenamt zur (haupt-)beruflichen Tätigkeit gestaltet werden und worauf muss man achten?

Je erfolgreicher eine Initiative, desto höher werden die Ansprüche an die Organisation und der damit verbundene Arbeitsaufwand. Um den Vorstand bzw. die treibenden Kräfte innerhalb einer Initiative vor Selbstausbeutung zu bewahren, stehen viele Initiativen irgendwann vor der Frage, wie die das wachsende Maß an Aufgaben bewältigt werden kann. Ehrenamtlich, d.h. innerhalb der freien Zeit, die den Mitgliedern neben ihrer beruflichen Tätigkeit, bleibt, ist dies oft kaum noch zu schaffen. Dann liegt die Überlegung nahe, aus der ehrenamtlichen Tätigkeit eine haupt- oder zumindest nebenberufliche Stelle zu machen.

Die Finanzierung von hauptamtlichen Stellen ist eine Möglichkeit, Stellen zu schaffen, in denen Menschen sinnerfüllt arbeiten können. Darüber hinaus kann eine feste Stelle, die über mehrere Jahre läuft, der eigenen Initiative einen großen Entwicklungsschub verleihen. Wichtig dabei ist, dass dies nicht zwangsläufig bedeutet, das Ehrenamt innerhalb der Organisation gänzlich abzuschaffen. Viele Organisationen werden sowohl von hauptamtlichen als auch von ehrenamtlich Tätigen zusammen betrieben.

Stufenweiser Übergang

Um das Risiko, Fixkosten durch Löhne und Gehälter nicht durch entsprechende Einnahmen decken zu können, möglichst gering zu halten, kann es sich anbieten, den Übergang in kleinen Schritten zu vollziehen. Ein erster Schritt wäre beispielsweise die Einführung von Aufwandsentschädigungen für den ehrenamtlichen Vorstand. Diese kann in verschiedener Form gezahlt werden, die – je nach Art – der Einkommensteuer unterliegt oder nicht:

  • Von der Steuer ausgenommen, ist in einem bestimmten Umfang die Übungsleiterpauschale. Gemäß § 3 Nr. 26 des deutschen Einkommenssteuergesetztes sind nebenberufliche Einnahmen bis zu einer Höhe von 2.400 EUR steuerfrei, wenn eine Tätigkeit für eine gemeinnützige Organisation oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts vorliegt. Dazu zählen z.B. Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer, künstlerische Tätigkeiten oder auch die Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen.
  • Seit 2013 gibt es die sogenannte Ehrenamtspauschale in Höhe von bis zu 720 Euro / Jahr für Tätigkeiten im gemeinnützigen Bereich des Vereins. Im Gegensatz zur Übungsleiterpauschale müssen diese Tätigkeiten nicht unmittelbar zur Zweckverwirklichung dienen und auch keine pädagogische Ausrichtung haben, d.h. diese Pauschale ist anwendbar zum Beispiel auf Vorstands- oder Verwaltungstätigkeiten. Soll diese Pauschale an den Vorstand gezahlt werden, muss die Satzung die Möglichkeit einer Pauschalzahlung beinhalten.
  • Aufwandsentschädigung: Hat der ehrenamtlich Tätige im Rahmen seiner Tätigkeit Beträge ausgelegt, so kann er sich diese gemäß § 3 Nr. 50 EStG von seinem Träger steuerfrei ersetzen lassen.

Wenn es das Budget zulässt, dann kann daneben die Anstellung von Personal auf 450-Euro-Basis eine gute Idee sein (Mini- oder Midijob). Es bietet die Möglichkeit, die mühsame finanzielle, administrative und buchhalterische Arbeit regelmäßig erledigt zu bekommen. Diese Person kann z.B. auch die eingehenden Anfragen, die per E-Mail reinkommen, verteilen bzw. beantworten. Es kann einer Gruppe die Freiheit ermöglichen, sich auf ihre Projekte zu konzentrieren. Ähnliche Möglichkeiten bieten sich über eine Bundesfreiwilligen-Kraft. Die Erfahrung der Gruppe BluePingu e.V. in Nürnberg ist aber auch, dass ein/e Freiwillige/r viel Zeit zum Einlernen, für ihren Urlaub und ihre Weiterbildung braucht. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für die eigentliche Arbeit in der Initiative.

Weitere risikoarme Möglichkeiten wären auch die Einführung von Provisionsmodellen, wonach die Organisation Dienstleistungen ihrer Mitglieder nur im Erfolgsfall vergütet, oder das Personal-Sharing, bei welchem man sich eine Stelle mit anderen Organisationen teilt. Darüber hinaus können im Rahmen des sog. Corporate Volunteering Mitarbeiter von Stadtverwaltungen oder Unternehmen für die Übernahme ehrenamtlichen Engagements zeitweise von ihrer Arbeit freigestellt werden. Für die Unternehmen kann dies mitunter zur Verbesserung der eigenen Reputation (regionales Engagement, soziale Verantwortung) dienen.

Voraussetzungen

Die Schaffung einer hauptamtlichen Stelle setzt noch einmal eine grundsätzliche Richtungsentscheidung innerhalb der Organisation voraus. Inwiefern die Organisation tatsächlich einen Wachstumspfad mit professioneller Geschäftsführung einschlagen will, hängt auch von ihrer Bereitschaft ab in die (Vor-)Finanzierung zu gehen und damit ein gewisses unternehmerisches Risiko einzugehen. Hierfür ist regelmäßig die Aufstellung eines Geschäftsplans notwendig, der einen Überblick über die potenzielle Unternehmensentwicklung ermöglicht.

Eine feste Stelle stellt außerdem Ansprüche an die eigene Organisation:

  • Es muss einen Träger geben, der die Person anstellt und die Sozialversicherung übernehmen kann, d.h. die Initiative muss eine Rechtsform haben wie beispielsweise der Verein, die GmbH, die eG, etc.
  • Es braucht einen Nachweis darüber, dass man einen Büroraum zur Verfügung stellen kann. Eine Möglichkeit einen günstigen Büroraum zu bekommen ist, sich mit anderen Organisationen (z.B. kirchlichen Institutionen) zu vernetzen.
  • Außerdem muss Projekt- und Vorstandsarbeit getrennt werden. Alles, was die Vorstandsarbeit betrifft, kann nicht bezahlt werden oder (sofern die Satzung eine Vergütung für den Vorstand vorsieht) muss getrennt abgerechnet werden.

Eine Möglichkeit mit dieser Schwierigkeit umzugehen ist, auch andere Arbeiten zu bezahlen. Das setzt natürlich ein gewisses Budget voraus. Die Gruppe BluePingu e.V. in Nürnberg hat den Beschluss gefasst, dass jede Arbeit, die einen ‚Jobcharakter‘ hat, mit 10 € pro Stunde zu vergüten.

Konsequenzen für die Initiative

Feste Stellen bergen die Gefahr, dass sich die soziale Dynamik in einer Gruppe verändert. Es kann zum Problem werden, wenn eine Person für ihre Arbeit Geld bekommt und andere nicht. Die damit verbundene Ungleichheit birgt die Gefahr von Neid und Unfairness. Die Reaktion kann sein, dass die unliebsamen Aufgaben der hauptamtlich arbeitenden Person zugeschoben werden. Daher ist es wichtig, die Trennlinien zwischen beiden möglichst transparent und nachvollziehbar zu gestalten und die nicht-monetäre Anerkennung des Ehrenamts dabei nicht zu vernachlässigen.

 

Weitere Informationen

Geschichten des Gelingens

Die Gruppe BluePingu e.V. in Nürnberg hat den Beschluss gefasst, dass jede Arbeit, die einen ‚Jobcharakter‘ hat, mit 10 € pro Stunde zu vergüten. Darunter fallen Arbeiten, die regelmäßig stattfinden und die eine verbindliche Zusage erfordern. Bspw. das Gießen von Pflanzen im Sommer im Stadtgarten. Die Gruppe finanziert diese Ausgaben durch Spenden, Fördermittel und Mitgliedsbeiträge. Diese Vergütung kann im Rahmen der Ehrenamtspauschale ausgezahlt werden – ohne Rechnungen auszustellen oder ohne eine Selbstständigkeit angemeldet zu haben. Die Ehrenamtspauschale ist steuerfrei.

 

Die Gruppe Winchester Action for Climate Change (WinACC) wurde im Jahr 2008 zunächst mit Mitteln der lokalen Behörden/Kommunalverwaltungen/Kommunalbehörden gegründet.  Das erste Treffen brachte die Kommunalverwaltungen auf Stadt- und Kreisebene sowie die Universität in Winchester zusammen.

Dann gab es ein erstes öffentliches Treffen, das 45 Personen anzog, um die Organisation zu starten.  Die Gründung von WinACC als eingetragene Wohltätigkeitsorganisation folgte sehr schnell und wurde 2013 in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt.  Die Gruppe traf die Entscheidung, sich in einem frühen Stadium ihrer Entwicklung zu “institutionalisieren”, was ihren Ursprung widerspiegelt.

In seinem ersten Jahresbericht beschreibt sich WinACC als eine Partnerschaft, ein Netzwerk und abhängig von Freiwilligen.  Als nicht eingetragener Verein (2008-13) war es eine Wohltätigkeitsorganisation mit einem formellen Kuratorium, das sowohl Vertreter der lokalen Regierung als auch aus der Mitgliedschaft von WinACC gewählte Kuratoren umfasste.  Es wurden Regeln für die Mitgliedschaft festgelegt, die sowohl Einzelpersonen (und Haushalte) als auch die organisatorische Mitgliedschaft einschließen.  Später im Jahr 2009 wurde eine Form der assoziierten Mitgliedschaft für Organisationen eingeführt.  Als Organisationseinheit beschäftigte WinACC einen Vollzeit-Koordinator und hatte andere Teilzeitmitarbeiter, die sich mit der Verwaltung einer Wohltätigkeitsorganisation befassten.