Self City arbeitet mit der Methode des Action Learning Circles (ALC). Hiermit soll der Prozess der Selbstorganisation und des „Gruppenlernens“ besser verstanden werden. Action Learning ist mehr eine Orientierung für die Erhebung als eine Methode. Es kann wie folgt beschrieben werden: “a participatory, democratic process concerned with developing practical knowledge in the pursuit of worthwhile human purposes, grounded in a participatory worldview” (Reason and Bradbury, 2001, p1).
Self City Deutschland hat den ALC mit den Mitgliedern des TransitionHauses Bayreuth, mit dem Verantwortlichen und Mitwirkenden der Umweltstation Waldsassen und dem Vorstand und Interessieren der Energiegenossenschaft Beng eG durchgeführt. Der ALC basiert auf aufeinander aufbauende Workshops: in einem ersten Workshop wurden Probleme und Herausforderungen diskutiert, Lernfelder definiert, in einem zweiten Workshop wurden die Handlungserfordernisse nochmals konkretisiert und in einem dritten Workshop wurden – auch mit externer Expertise – Impulse für die Weiterentwicklung / Problemlösung gegeben. Die Problemlösung wurde von den Initiativen versucht, anzuwenden. Daraufhin wurde die Problemlösungsreichweite gemeinsam reflektiert.
Im Folgenden wollen wir die Methodik und die Ergebnissen des Action Learning Circles (ALC) der Durchführung von ALCs mit dem Transition Haus Bayreuth, dem Interkulturellen Garten Waldsassen und der Energiegenossenschaft Beng eG reflektieren
Durch das Zusammenfinden in dem Setting „Mitglieder einer Initiative / Gruppe – externe Moderation“ wird eine Situation der „Außeralltäglichkeit“ geschaffen, die Veränderungspotenziale freisetzt und neue Handlungsspielräume schafft.
Das allgemeine Setting des ALC hat zum Ziel eine systematische (Selbst-)reflektion durch EXTERNE Moderation anzuleiten, um Prozesse, Ergebnisse, Zusammenwirken der Akteure, Produkte zu entwickeln bzw. zu verbessern. ModeratorInnen stellen Fragen: Was ist der Hintergrund / die Entstehungsgeschichte der Initiative? Was ist gut gelaufen? Was ist weniger gut gelaufen? Was verbindet die Mitglieder, welche Ziele verfolgen sie? Vor welchen Problemen und Herausforderungen stehen wir derzeit? Diese Fragen werden im Alltag der Arbeit der Initiativen nicht / kaum gestellt. Im ersten Teil des ALC erfolgt daher eine kollektive Selbstvergewisserung über das Tun und die Zielsetzung. Bedeutungszuschreibungen können erneuert bzw. auch modifiziert werden („Wir machen dies und das … aber eigentlich müssten wir jetzt dorthin….“). Die extern moderierte Situation der Außeralltäglichkeit ermöglicht ein strukturiertes Reflektieren und darauf aufbauend das „Einschlagen“ neuer Wege / Erarbeitung neuer Projekte. So arbeiteten die BENG eG an einem Konzept für die Vermarktung des Mieterstrommodells und das TransitionHaus Bayreuth an einem neuen Ablaufmodell für die Sitzungen des Orga-Teams: zielgerichtete Kommunikationsstrukturen unter den Bedingungen von Fluktuation in den Organisationssitzungen und die Einführung einer „Befindlichkeitsrunde“ wurden beschlossen, die dafür sorgen soll, dass auch Gefühle, (Un-) wohlsein und das allgemeine Befinden in der Organisationsrunde ihren Platz haben.
Action Learning Circle vergrößert die gruppenbezogene kollektive Selbstwirksamkeit.
Das Konzept der allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung (Self-Efficacy) von Albert Bandura (2008) bezieht sich auf die Überzeugung einer Person, dass sie fähig ist, etwas zu erlernen oder eine bestimmte Aufgabe erfolgreich zu bewältigen. Menschen, die an ihre eigene Kraft glauben, sind bei der Bewältigung von Aufgaben ausdauernder und können mit individuellen Herausforderungen und Problemen „besser“ umgehen als Menschen, die weniger von ihren personalen Ressourcen überzeugt sind. Diese individualpsychologische Perspektive kann auf den ALC angewendet werden: Die gemeinsame Reflektion des Erreichten in der Gruppe kann als Quelle zum Aufbau von kollektiven Selbstwirksamkeitserwartungen werden: „Wir schaffen das …“. Auch die Thematisierung von Barrieren und Hürden, die in der Vergangenheit gemeistert wurden, können neue Ausdauer hervorrufen und neue Zielvereinbarungen nachsichziehen. In der kontinuierlichen Reflektion im ALC entsteht neue Motivation und der Handlungserfolg kann gesteigert werden.
Action Learning Circles und seine Ergebnisse werden durch Elemente qualifiziert, die die Sinne, Emotionen und das praktische Tun ansprechen.
Im Rahmen des Auftaktworkshops bei dem Interkulturellen Garten Waldsassen stellte sich insbesondere das Thema der „Interkulturellen Verständigung“ bzw. das Vorbeugen von Missverständnissen aufgrund interkultureller Unterschiede als wichtiges Thema heraus. Zu diesem Zweck wurde ein aktionsorientierter Trainingsworkshop konzipiert. Um Sprachbarrieren zwischen Geflüchteten und Helfern abzubauen und ein gemeinsames Verständnis zu interkulturellen Missverständnissen und kulturellen Selbstverständnissen zu erzeugen, wurde ein ganzer Nachmittag lang gemeinsam ein Green Dome gebaut – ein zentraler Aufenthaltsort im Gemeinschaftsgarten. Eine zentrale Lernerfahrung war, dass Verständigung nicht nur über Sprache funktioniert: mit Tun, Deuten und Gebärden kommt man auch zum Ziel, so dass am Ende der Veranstaltung ein Green Dome den Garten bereicherte und man sich bei einem gemeinsamen Abendessen über die Erfahrungen in Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch (mit und ohne Übersetzung) austauschen konnte. Mit dieser Aktion konnte ein leichteres, vielleicht auch unbeschwerteres Miteinander erreicht werden. Das heißt: nicht nur kognitives und zielgerichtetes Arbeiten (im Sinne eines Projektmanagements) führen zu guten Ergebnissen, sondern es gilt auch die Sinne und die Emotionen im Rahmen von praktischen Tätigkeiten anzusprechen. Sowohl in Waldsassen als auch im Transition Haus Bayreuth hat es sich bewährt, die inhaltlichen Themen in einen geselligen äußeren Rahmen einzubetten wie beispielsweise gemeinsames Essen, Kaffeerunde, Feierlichkeit.
Motivation, sich als Initiative am ALC zu beteiligen, wird durch konkreten (sofort umsetzbaren) Nutzen gesteigert.
In die Trainingsphase des ALC haben wir weitere externe Expertise einbezogen, um die aktuellen Problemstellungen der Initiativen anzugehen und für sie Wissen und Erfahrungen, die bei anderen Initiativen / Kommunen gemacht wurden, zu erschließen. Es sind dies für die Beng eG aktuelle Marketingfragen durch einen Vertreter einer Marketingagentur und Hinweise zum Vorgehen bei der Implementierung eines Mieterstrommodells durch Polarstern und Naturstrom. In der Umweltstation Waldsassen wurde ein Green Dome gebaut (siehe oben). Im TransistionHaus wurde ein Seminar zum Thema „Gewaltfreie Kommunikation“ durchgeführt. Mit diesen Aktionen wird neues handlungsrelevantes Wissen generiert. Der ALC kann auch als Impulsgeber und Initiator zur Netzwerkbildung gesehen werden.
Action Learning benötigt den Circle: Zeit (zwischen den Sitzungen) und Vertrauen in den Prozess sind notwendige Erfolgsbedingungen.
Die Reflektion von Prozessen mit der Intention, neue Verfahren, Strukturen und Produkte zu entwickeln, benötigt Zeit und Vertrauen in den Prozess des ALC. Da auch nicht immer alle Mitglieder der Initiative an allen Workshop-Terminen anwesend waren, musste zu erarbeiteten Inhalten Rücksprache gehalten werden. Auch musste Erlerntes und Erfahrenes „sich erst setzen“. Ergebnisse sind nicht erzwingbar. Vielmehr bedarf es eines Vertrauens in die Eigenlogik des ALC, der Gestaltungsspielräume eröffnet ohne dass von Anfang an klar ist auf welches Ziel man zusteuert.
Action Learning Circle verändert nicht nur die Prozessabläufe / Produkte der Initiativen sondern auch die externe Begleitung: von der Moderation zum Facilitating.
Der ALC stellt u.a. durch die Offenheit seiner konkreten Ausgestaltung andere Anforderungen an die externe Begleitung. Es kommen weniger Kompetenzen der Moderation mit einer dezidierten Zielsetzung zum Tragen. Auch sind typische klassische Methoden zur Moderation von Kleingruppen mit einer starken Orientierung an im Vorfeld erarbeiteten Ablaufplänen nur bedingt erfolgreich. Der Unterschiedlichkeit der Initiativen der Selbstorganisation hinsichtlich ihrer Struktur und internen Organisation (vom losen Zusammenschluss bis hin zum Unternehmen) und damit ihrer unterschiedlichen Bedarfe an Planung und Moderationstechnik kommt die Flexibilität des ALC entgegen.
Daraus ergibt sich ein neues Selbstverständnis, das noch am ehesten mit dem Begriff des Facilitators zu beschreiben ist: ein Prozessbegleiter, die oder der Veränderungen initiiert, begleitet, unterstützt und fördert. Faciltatoren geben nichts von oben vor und reflektieren kontinuierlich ihre eigene Haltung zum Wandel. Konflikte und das Unvorhergesehene sollten mit Intuition und Gelassenheit genommen werden. Der Facilitator eröffnet geschützte Räume, in denen Unsicheres, Verborgenes und Visionen ihren Platz finden.
ALC als ein geeignetes Instrument zur Weiterentwicklung von nachhaltigkeitsorientierten System-, Ziel- und Transformationswissen.
Das Beschreiten eines nachhaltigen und klimasensiblen postfossilen Entwicklungspfads ist mit einem umfangreichen gesellschaftlichen Suchprozess verbunden, bei diesem die Wissenschaft und insbesondere die transformative Forschung eine große Bedeutung hat. Ziel transformativer Forschung ist es, konkrete Veränderungsprozesse zu initiieren und dabei Stakeholder aktiv in den Forschungsprozess einzubeziehen. So gilt es nicht nur Systemwissen zu generieren, sondern zusammen mit Praxisakteuren Zielwissen (Visionen und Leitbilder) und konkretes Transformationswissen durch Experimente und Lernprozesse (Wuppertal-Institut 2017). Der Action Learning Circle kann als eine Methodik im Rahmen einer transformativen Forschung gesehen werden. Es wird an der Lösung realweltlicher Probleme gearbeitet:
- Wie können Bausteine eines ressourcenleichten gemeinschaftsbasierten Lebensstils aussehen, welche (materiellen und mentalen) Infrastrukturen werden hierfür benötigt? – Durch eine materielle Infrastruktur mit Angeboten wie Werkstatt, Nähstube im TransitionHaus
- Was sind unter schwierigen politisch-rechtlich Rahmenbedingungen (politisches „Ausbremsen“ der dezentralen und bürgerschaftlich organisierten Energiewende, z.B. die sog. 10-H-Regelung in Bayern und Ausschreibungspflicht von EE-Projekten) neue Geschäftsmodell für Energiegenossenschaften? – Durch das Mieterstrommodell der Beng eG
- Wie können Geflüchtete in kleine Kommunen integriert werden? – Durch das praktische Tun im Garten im Umweltzentrum Waldsassen
Last but not least: Teile des oder der gesamte Action Learning Circles dürfen / darf auch scheitern.
Die Suche nach nachhaltigen Lösungen für die Transformation zu einem klimasensiblen Gesellschaftsmodell wird unweigerlich auch mit Sackgassen, Fehlentscheidungen und einem Scheitern verbunden sein. Diese Offenheit für das Scheitern muss auch dem ALC inhärent sein.
Literatur:
Bandura, Albert (2008): Self-Efficacy in Changing Societies. Cambridge.
Wuppertal-Institut (2017): Transformative Forschung.