Mitten im Firmen-Meeting leuchtet auf einmal das Handy auf. Der Fußballverein hat eine Whatsapp-Nachricht an alle Mitglieder geschickt. Dann kommt eine Mail von der Freiwilligenagentur, die dringend Unterstützung am Abend braucht. Die Tochter simst an, ob sie nach Schulschluss noch zu einer Freundin darf. Spätestens wenn jetzt der Chef fragt, was man zu der gerade vorgestellten Risikoanalyse hinzufügen kann, sollte klar sein: Job, Privates und Ehrenamt zur selben Zeit am selben Ort überfordern in jedem Bereich und lassen uns für keines die benötigte Konzentration und Energie.
Wie durch moderne Technik und Arbeiten von zu Hause aus unser Leben verkompliziert wird
Schnell mal noch eine Mail schreiben, direkt auf Whatsapps antworten können, jederzeit mobil erreichbar sein. Arbeiten im Homeoffice ohne das Haus verlassen zu müssen. Was im modernen Begriff Work-Life-Blending (Grenzen verschwinden) wie ein riesiger Vorteil und ein Fortschritt unserer Zeit klingt, kann auch schnell zur Falle werden. Wenn während der Arbeit ständig Nachrichten aus dem privaten Bereich ablenken ist das genauso hinderlich, wie wenn der Chef um 21:00 Uhr noch eine Email schreibt, dass man für die morgige Sitzung noch bestimmte Papiere vorbereiten muss. Wer ständig und immer für alle erreichbar sein kann, ist das auch und wird rund um die Uhr in Beschlag genommen. Zeit für Struktur, Rückzug und Ruhe gibt es dann keine mehr. So nimmt man in Gedanken die Kinder immer mit in die Arbeit, die Organisation des Ehrenamtes versucht man schnell noch in der Mittagspause zu erledigen und beim Abendessen mit Freunden lässt man den Stress und Ärger von der Arbeit ab. Durch Arbeiten von zu Hause aus verwischen die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben immer mehr – man kommt oft weder zu dem einen gut, noch zu dem anderen und hängt unangenehm wie bei einem Spagat zwischen zwei Stühlen. Diese Bereiche aber klar voneinander zu trennen bezeichnet der Begriff der Work-Life-Balance. Das geht z.B. wenn es daheim einen klar definierten Arbeitsplatz gibt, von dem man nicht abgelenkt ist von Kindern, Haushalt, Garten etc..
Abgrenzung gegen Stress für mehr Lebensqualität
Zahlreiche Studien belegen, dass ständige Erreichbarkeit (auch durch die Belange des Ehrenamts) mehr Schaden als Nutzen bringt. Befragte klagten häufiger über Stress, Schlafstörungen, Burn-out-ähnliche Zustände, waren durchschnittlich öfter krank, hatten mehr Konflikte und Streit mit der Familie.
Wer es hingegen schafft, Beruf, Privates und Ehrenamt zu trennen, ist zufriedener mit seinem Leben, zeigt weniger oft psychische Belastungssymptome und leistet im Beruf und im Ehrenamt mitunter sogar mehr. Einige Firmenchefs haben dies längst erkannt und geben klare Anordnungen, dass Firmenhandys im Urlaub abzuschalten sind und Mails auch erst nach Rückkehr an den Arbeitsplatz bearbeitet werden dürfen.
Eine strikte Trennung von Beruf, Privatem und Ehrenamt bedeutet natürlich nicht, dass man nicht auch mit Kollegen Privates besprechen oder sich gar Freundschaften auch im Beruf entwickeln kann. Doch hier müssen klare Regeln definiert werden: Arbeitszeit ist für die Arbeit da, Pausen und Feierabendbier für Privates.
Nein sagen erlaubt – Prioritäten setzen und durchziehen
„Können Sie das heute noch abschicken?‘“ „Kannst du mir beim Umzug helfen?“ „Kannst du heute mal für mich das Training übernehmen?“ „ Kannst du noch schnell das Protokoll unserer letzten Organisationssitzung redigieren?“ – Wie oft werden wir um Gefallen gebeten, die gerade nicht in die eigene Zeitplanung passen. Und obwohl schon der gemütliche Abend zu zweit geplant ist, sagen wir ja, um den Chef nicht zu verärgern, den besten Freund nicht hängen zu lassen oder weil andere sonst enttäuscht wären. Die wichtigste Erkenntnis hierbei ist: Ein NEIN bedeutet keinen Weltuntergang, hilft uns aber die eigenen Bedürfnisse und Interessen zu wahren. Du bist nicht der letzte Mensch auf Erden, es können auch andere gefragt werden. Dein Chef kann seine Briefe auch mal alleine zur Post bringen. Wichtig ist auch: Nein-Sagen zu einer Sache, bedeutet auch Ja-sagen zu etwas anderem, das uns wichtiger ist oder uns besser fühlen lässt. Wenn wir wissen, was wir wirklich wollen und was uns gut tut, dann fällt es leichter, uns klar für oder gegen etwas zu positionieren.
Es muss auch nicht immer ein hartes NEIN sein, wenn man etwas im Grunde schon möchte, es aber gerade nicht erledigen kann. So könnte im Sinne der eigenen Abgrenzung und Strukturierung die Antwort lauten: „Ja, das mache ich gleich morgen früh, dann kommt die Post immer noch pünktlich an.“ oder „Ich habe an deinem Umzugstag schon etwas vor, ich kann dir aber die Tage davor beim Packen helfen.“ So verbiegt man sich nicht, behält die eigene Struktur bei und kann anderen dennoch helfen.
Weitere Informationen
Hilfreiche Tipps, für alle denen es schwerfällt, Nein zu sagen:
- https://tomoff.de/grenzen-setzen-17-schritte-zum-gesunden-nein-sagen/
- https://www.dastutmirgut.net/8-tipps-fuer-eine-erfolgreiche-abgrenzung/
Melanie Hassler u.a.: iga.Report 23. Auswirkungen von ständiger Erreichbarkeit und Präventionsmöglichkeiten, Teil 2. Dresden 2016 URL: http://www.iga-info.de/fileadmin/redakteur/Veroeffentlichungen/iga_Reporte/Dokumente/iga-Report_23_Teil2_Auswirkungen_staendiger_Erreichbarkeit.pdf
Sabine Sonnentag: Psychological Detachement From Work During Leisure Time. The Benefits of Mentally Disengaging From Work, in: Current Directions in Psychological Science, Bd. 21, S.114-118, 2012